Doppelt hält schlechter: Wenn Prozesse unnötige Umwege machen

Einleitung

Digitalisierung soll Prozesse effizienter machen – in der Theorie. In der Praxis sieht es oft anders aus: Ein neues System wird eingeführt, doch statt es direkt zu nutzen, halten sich alte Arbeitsweisen hartnäckig. Ein Klassiker: Daten werden erst in Excel gepflegt, bevor sie umständlich in ein eigentlich dafür vorgesehenes System übertragen werden.

Das Ergebnis? Zwei Arbeitsschritte statt einem. Mehr Zeitaufwand, höhere Fehleranfälligkeit und eine Menge Frust bei den Beteiligten. Doch warum entstehen solche ineffizienten Workarounds? Und was kann man tun, um sie zu vermeiden?

Wenn Digitalisierung ins Leere läuft

Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Ein Unternehmen führt eine neue Software ein, mit der der Vertrieb Kundenverträge direkt erfassen soll. Doch anstatt das System zu nutzen, tragen die Mitarbeitenden ihre Daten weiterhin in Excel-Tabellen ein. Erst später übernimmt eine andere Abteilung die Aufgabe, die Verträge manuell ins System zu übertragen.

Was auf den ersten Blick nach einem einmaligen Ausnahmefall klingt, ist in vielen Unternehmen traurige Realität. Ein digitaler Prozess existiert – aber er wird umgangen. Und das hat Konsequenzen:

  • Mehr Aufwand, weniger Effizienz: Zwei Abteilungen erledigen unnötigerweise dieselbe Arbeit – eine trägt die Daten in Excel ein, die andere überträgt sie später ins System.

  • Erhöhte Fehleranfälligkeit: Copy-Paste aus Excel ist fehleranfällig – Zahlendreher, unvollständige Einträge oder falsch zugeordnete Daten sind vorprogrammiert.

  • Verlust von Kontextwissen: Die Mitarbeitenden, die die Daten nachträglich ins System eintragen, haben oft nicht alle Details oder den Hintergrund der ursprünglichen Eingabe.

  • Frust bei den Beteiligten: Zeit, die für doppelte Arbeit aufgewendet wird, fehlt an anderer Stelle für wichtigere Aufgaben.

Warum entstehen solche Umwege?

Solche ineffizienten Workarounds entstehen nicht zufällig. Meist gibt es klare Gründe, warum ein System in der Praxis nicht so genutzt wird, wie es gedacht war:

1. Fehlannahmen bei der Systemgestaltung

Ein typischer Fehler: Ein System wird für eine bestimmte Nutzergruppe entwickelt – aber nicht für diejenigen, die die eigentliche Arbeit damit erledigen sollen. In unserem Beispiel wurde das System vielleicht für die Verwaltung oder das Controlling entworfen, aber nicht mit Blick auf die Bedürfnisse des Vertriebs.

Wenn das System nicht auf die tägliche Arbeitsweise der Mitarbeitenden abgestimmt ist, entsteht zwangsläufig ein Workaround. Und der heißt oft Excel.

2. Fehlendes Nutzer-Feedback in der Entwicklungsphase

Viele Systeme werden nach technischen Anforderungen entwickelt, aber ohne die echten Nutzer zu befragen. In der Theorie sieht alles gut aus – in der Praxis stellen sich dann Probleme heraus, die vorher nicht bedacht wurden.

Wer hat sich vor der Einführung gefragt: - Welche Prozesse nutzen die Mitarbeitenden bisher? - Welche Hürden gibt es, das neue System direkt zu verwenden? - Welche Funktionen fehlen vielleicht, damit es wirklich praktikabel ist?

Ohne dieses Feedback wird ein System schnell zur „Pflichtaufgabe", die man irgendwie umgehen muss.

3. Technische oder organisatorische Hürden

Manchmal gibt es ganz praktische Gründe, warum das System nicht direkt genutzt wird: - Der Vertrieb hat keinen direkten Zugriff oder benötigt komplizierte Anmeldungen. - Die Benutzeroberfläche ist zu kompliziert und nicht intuitiv. - Die Dateneingabe dauert länger als die Nutzung einer Excel-Tabelle. - Automatische Schnittstellen fehlen, sodass das System nicht flexibel genug ist.

Je umständlicher die direkte Nutzung ist, desto eher greifen die Nutzer auf die alte, bewährte Methode zurück.

4. Angst vor Veränderungen und mangelnde Schulung

„Das haben wir schon immer so gemacht!" – Ein Satz, der jede digitale Transformation torpedieren kann. Selbst wenn ein neues System objektiv Vorteile bringt, braucht es Schulung und Überzeugung, damit es auch genutzt wird.

Wenn Mitarbeitende sich im neuen System nicht sicher fühlen oder das Gefühl haben, damit langsamer zu arbeiten, bleiben sie bei ihrer bisherigen Methode – selbst wenn das langfristig ineffizienter ist.

Wie lässt sich das Problem lösen?

Damit digitale Prozesse wirklich funktionieren, muss man sich an der Realität der Nutzer orientieren. Einige entscheidende Ansätze helfen dabei, unnötige Umwege zu vermeiden:

1. Direkte Erfassung ermöglichen

Das wichtigste Prinzip: Wer die Daten kennt, sollte sie auch direkt eintragen können. Keine Zwischenschritte, keine zusätzlichen Schnittstellen, kein Excel-Umweg. Wenn ein Vertriebler einen Vertrag abschließt, sollte er ihn sofort und einfach ins System eintragen können – ohne auf eine andere Abteilung angewiesen zu sein.

2. Nutzerzentrierte Entwicklung

Systeme müssen so entwickelt werden, dass sie zur Arbeitsweise der Nutzer passen – nicht umgekehrt. Das bedeutet: - Frühes Nutzer-Feedback: Vor der Entwicklung echte Anwender befragen und einbeziehen. - Prototypen testen: Frühzeitig ausprobieren, ob die Lösung in der Praxis funktioniert. - Iterativ verbessern: Anpassungen nach dem Livegang schnell umsetzen, um Workarounds zu verhindern.

3. Prozesse hinterfragen

Wenn Daten über Umwege erfasst werden, stellt sich die Frage: Warum? - Ist das System zu kompliziert? - Fehlt eine Funktion, die den Umweg überflüssig machen würde? - Gibt es organisatorische Gründe, die den direkten Zugriff verhindern?

Nur wer die Ursache versteht, kann sie auch beheben.

4. Mitarbeitende mitnehmen

Technische Lösungen funktionieren nur, wenn die Menschen sie auch akzeptieren. Das bedeutet: - Schulungen anbieten: Nicht jeder fühlt sich sofort sicher mit neuen Systemen. - Vorteile verdeutlichen: Warum spart die neue Lösung langfristig Zeit? - Auf Widerstände eingehen: Sorgen und Bedenken ernst nehmen und praktische Lösungen anbieten.

Fazit

Ein System, das in der Praxis nicht genutzt wird oder unnötige Workarounds provoziert, hat sein Ziel verfehlt. Digitalisierung ist mehr als nur Software – sie muss Prozesse einfacher und effizienter machen.

Wenn Mitarbeitende lieber Excel-Tabellen nutzen, statt direkt ins System zu arbeiten, liegt das Problem nicht an ihnen – sondern an der Lösung selbst. Unternehmen, die ihre digitalen Prozesse optimieren wollen, müssen sich fragen: - Wer arbeitet wirklich mit dem System? - Warum wird es nicht direkt genutzt? - Wie kann man die Prozesse so gestalten, dass sie intuitiv und effizient sind?

Denn eines ist sicher: Ein System, das die Nutzer umständlicher arbeiten lässt, wird immer durch eine pragmatische Alternative ersetzt – egal ob mit oder ohne IT-Freigabe.


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