Der wahre Blocker? Eure Angst, Verantwortung zu übernehmen!
Freigabe gestoppt! Und jetzt?
Ein kritischer Fehler kurz vor dem Release – das Worst-Case-Szenario vieler Teams. Die Panik steigt, Meetings werden einberufen, Prioritäten verschieben sich. Doch ist der Bug wirklich das Problem? Oder ist es die fehlende Entscheidungskraft, die das Release wirklich blockiert?
Denn mal ehrlich: Fehlerfreie Software gibt es nicht. Jedes System, das produktiv geht, hat offene Bugs – die Frage ist nur, ob sie den Betrieb tatsächlich verhindern. Und genau hier beginnt das eigentliche Problem: Wann ist ein Fehler wirklich ein Blocker?
Oft wird ein Ticket erst dann als „kritisch" eingestuft, wenn der Release-Termin unmittelbar bevorsteht. Plötzlich ist ein Bug, der wochenlang niemanden gestört hat, der Showstopper schlechthin. Ist das Zufall? Nein. Es ist ein Muster.
Wenn alles ein Blocker ist, habt ihr die Kontrolle verloren
Es gibt Fehler, die eine Freigabe unmöglich machen. Sicherheitslücken, Datenverlust, regulatorische Verstöße – das sind echte Showstopper. Aber oft wird der Begriff „Blocker" inflationär genutzt.
Typische Muster, die man in Projekten immer wieder sieht:
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Das Ticket war lange bekannt, wurde aber ignoriert. Jetzt, kurz vor der Freigabe, fällt es plötzlich wieder auf – und niemand will die Verantwortung übernehmen, es ungelöst zu lassen.
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Der Kunde hat es sich anders überlegt. Ein Feature, das monatelang als „nice-to-have" galt, ist nun „essenziell" – nicht, weil sich das Geschäft geändert hat, sondern weil jemand kalte Füße bekommt.
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Es fehlt das Vertrauen in das eigene System. Weil niemand sicher ist, wie stabil die Software wirklich ist, sucht man nach Ausreden, den Release-Termin zu verschieben.
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Der Fehler ist unangenehm, aber nicht fatal. Doch anstatt das pragmatisch zu bewerten, erklärt ihn jemand zur Katastrophe – meist, weil er nicht erklären kann, warum er eigentlich irrelevant ist.
Die Wahrheit ist: Wenn jede Unschönheit als Blocker zählt, geht es längst nicht mehr um den Fehler – sondern um eine Kultur der Unsicherheit.
Was macht einen echten Blocker aus?
Die eigentliche Herausforderung ist nicht der Fehler selbst, sondern die Priorisierung. Ein echter Blocker bedeutet:
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✔ Kein Workaround möglich – Der Fehler kann nicht durch manuelle Maßnahmen überbrückt werden.
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✔ Kritische Geschäftsprozesse sind betroffen – Ohne den Fix kann das System nicht produktiv genutzt werden.
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✔ Die Auswirkungen sind gravierend – Umsatzverluste, gesetzliche Verstöße oder Sicherheitsrisiken drohen.
Häufig werden jedoch Dinge als Blocker bezeichnet, die es gar nicht sind:
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✘ „Es sieht nicht gut aus." Kosmetische Fehler sind ärgerlich, aber kein Grund, das Release zu stoppen.
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✘ „Es funktioniert nicht in allen Fällen perfekt." Edge Cases sind oft nachträglich fixbar.
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✘ „Das könnte für Nutzer verwirrend sein." Dokumentation, Support oder Hotfixes sind Alternativen.
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✘ „Wir haben ein ungutes Gefühl." Keine valide Begründung.
Entscheidend ist, ob ein Problem den Betrieb tatsächlich verhindert – oder nur das Perfektionsbedürfnis stört.
Priorisieren statt Panik schieben
Wenn sich jedes Teammitglied in jeder Situation als „nicht zuständig" betrachtet und niemand Verantwortung übernimmt, dann landet am Ende alles auf der höchsten Priorität. Und genau das führt zu Chaos.
Die Lösung? Eine klare, objektive Entscheidungsmatrix für Bugs:
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Welche Prozesse sind betroffen? Wenn der Fehler keine Kernprozesse stört, ist er kein Blocker.
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Gibt es eine Alternative? Wenn das Problem umgangen werden kann, ist es kein Blocker.
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Wie viele Nutzer sind betroffen? Ein Fehler, der nur in exotischen Szenarien auftritt, ist selten kritisch.
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Welche Risiken entstehen? Ein Blocker ist nur ein Blocker, wenn er schwerwiegende Folgen hat.
Mut zur Entscheidung statt Angst vor Fehlern
Jede Software hat Fehler. Die Frage ist nicht, ob sie existieren, sondern welche Konsequenzen sie haben.
Und genau hier müssen Teams den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen. Ein Release zu stoppen ist eine Entscheidung, die genauso begründet sein muss wie das Gegenteil. Es reicht nicht, einfach „Sicherheit geht vor" zu rufen – denn oft bedeutet „Sicherheit" in Wahrheit nur „Angst vor Entscheidungen".
Fazit: Fehler passieren, aber Blocker sind selten
Fehlerfreie Software gibt es nicht. Wer das als Ausrede für endlose Verschiebungen nutzt, blockiert nicht nur Releases, sondern Fortschritt. Kritische Fehler müssen ernst genommen werden – aber nicht jede Unklarheit ist ein Grund für den Stillstand.
Und letztlich ist der wahre Blocker oft nicht der Bug – sondern das Zögern, die Verantwortung zu übernehmen.